Dr. Wolfgang Schlieder (1926–2021)


Der DAP trauert um Dr. Wolfgang Schlieder (1926–2021)

– Ein Nachruf von Dr. Frieder Schmidt

In Leipzig ist am 5. Februar 2021 Dr. Wolfgang Schlieder nur wenige Wochen nach seinem am 16. Dezember begangenen 94. Geburtstag gestorben. Als er 1996 seinen 70. Geburtstag feiern durfte, ehrten ihn der Deutsche Arbeitskreis für Papiergeschichte und der Leipziger Arbeitskreis zur Geschichte des Buchwesens mit einer „Papiergeschichte(n)“ betitelten Festschrift. In einem Vorwort wurden damals von Lothar Poethe und Frieder Schmidt ganz wesentliche Lebensbezüge und Leistungen des Geehrten benannt. Als im Jahr 2016 der 200. Geburtstag des Holzschlifferfinders Friedrich Gottlob Keller gefeiert wurde, rückten noch einmal die einschlägigen Forschungen und Publikationen des Verstorbenen ins Blickfeld. Hier seien in ehrender Erinnerung wesentliche Passagen aus dem genannten Vorwort von 1996 wiedergegeben.

(Dr. Wolfgang Schlieder auf einer Veranstaltung im Buchmuseum in Leipzig am 18. September 2017 / Foto: Wolfgang Hohensee)

1926 in Luckenwalde geboren, widmete er sein ganzes Berufleben der Papiergeschichtsforschung. Durch die Veröffentlichung einschlägiger Forschungsergebnisse, durch Vorträge und Ausstellungen hat er dem Fach viele neue Freunde gewonnen. Von ihm sind viele wichtige Impulse ausgegangen, die ihren Niederschlag in der täglichen Arbeit verschiedener musealer Einrichtungen und des Deutschen Arbeitskreises für Papiergeschichte sowie in den Publikationen derer gefunden haben, die auf seine stete und qualifizierte Auskunftsbereitschaft hoffen konnten und können.
Im Jahre 1959 gehörte Wolfgang Schlieder zu den Gründungsmitgliedern der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Papierhistoriker (IPH). Sein Engagement in Wasserzeichenkunde wurde 1994 durch die Verleihung der IPH­-Ehrenmitgliedschaft honoriert. 1996 verlieh ihm der Verein der Zellstoff­ und Papierchemiker und ­Ingenieure (Verein ZELLCHEMING) den Ehrenring Papiergeschichte. Die Laudatio ­ abgedruckt in Das Papier 50 (1996), H. 7/8, S. 428­429 ­ benennt wesentliche Stationen seines Lebenswegs und seines Wirkens:
Dr. Schlieder hat von 1947 bis 1950 eine Lehre in der Finanzverwaltung des Landes Brandenburg absolviert. Er wurde nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften (1952 bis 1956 an der Humboldt­Universität zu Berlin) wissenschaftlicher Assistent am Institut für Geschichte an der Deutschen Akademie der Wissenschaften.
Er promovierte 1963 an der Humboldt­Universität mit einer Dissertation zum Dr. rer. oec., die 1966 unter dem Titel Zur Geschichte der Papierherstellung in Deutschland von den Anfängen der Papiermacherei bis zum 17. Jahrhundert veröffentlicht wurde. 1964 trat er in den Dienst des Deutschen Buch­ und Schriftmuseums der Deutschen Bücherei in Leipzig und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter von Dr. Wisso Weiß, der im selben Jahr von Greiz kommend als Leiter des Deutschen Papiermuseums dessen Integration in die Leipziger Einrichtung bewerkstelligte.
Nach der Pensionierung von Dr. Weiß im Jahre 1969 übernahm Dr. Schlieder die Leitung der Papierhistorischen Sammlungen und übte dieses Amt bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres aus. In seiner Amtszeit sorgte Dr. Schlieder für den systematischen Ausbau und für die intensive Erschließung dieser Sammlungen (Wasserzeichen, Papierproben, Buntpapiere, Riesaufdrucke etc.) und der papiergeschichtlichen Fachbibliothek. Die Frucht dieser Anstrengungen ist ein papiergeschichtliches und wasserzeichenkundliches Dokumentationszentrum, dessen herausgehobener Rang auch international unbestritten ist. Durch eine gegenwärtig in der Drucklegung befindliche internationale papiergeschichtliche Bibliographie wird diese Leistung bald auch breiteren Kreisen für die alltägliche Arbeit zur Verfügung stehen.
Neben dieser eher stillen, aber umso langfristiger wirkenden wissenschaftlichen Kärrnerarbeit ist Dr. Schlieder in vielfältigster Weise an die Öffentlichkeit getreten. Durch Vorträge und Lehrveranstaltungen an der Altenburger Ingenieurschule und im Rahmen der Leipziger Restauratorenausbildung förderte er in Fachkreisen das Verständnis für die Papiergeschichte. Museale Ausstellungen sorgten für Breitenwirkung. In den papier­ und zellstofferzeugenden Betrieben der damaligen DDR regte er Mitarbeiter zur Pflege der Betriebsarchive und zu betriebsgeschichtlichen Forschungen an. Sein besonderes Interesse und seine stete Förderung galt und gilt dem Denkmalschutz sowie papiergeschichtlichen Gedenkstätten (Papiermühle Niederzwönitz, Neumannmühle, Keller­-Museum Krippen etc.)
Nach der Wende und dem Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten engagierte sich Dr. Schlieder in besonderer Weise für das Zusammenwirken der Fachleute in Ost und West und hatte ganz maßgeblichen Anteil an der Gründung des Deutschen Arbeitskreises für Papiergeschichte. Der Verein ZELLCHEMING und das Deutsche Museum in München honorierten die in Leipzig unter seiner Leitung erbrachten Leistungen durch Überlassung der von Alfred Schulte gegründeten Wasserzeichensammlung der 1938 gegründeten Forschungsstelle Papiergeschichte.
Das Wirken Dr. Schlieders beschränkt sich jedoch nicht nur auf den nationalen Raum. Über Jahrzehnte hinweg hat Dr. Schlieder eng mit Fachleuten u. a. in Polen, der Tschechoslowakei, Estland und Ungarn, aber auch den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und den USA kooperiert. Sein Rat ist im In­ und Ausland gesucht und geschätzt. In den letzten Jahren hat er intensiv an der Erstellung eines Normenentwurf zur Beschreibung von Wasserzeichen und Buntpapieren mitgewirkt.